RESONATING SCULPTURE
"I want freedom, the right to self-expression, everybody's right to
beautiful, radiant things."
Emma Goldman
"Ein bisschen Staunen"
(...) Mich interessiert eher, eine Form zu verwenden, die etwas
über ihre eigene Substanz aussagt.
Hat das etwas mit einem Staunen über Materialität zu tun?
Ja. Damit kann ich mich gleich identifizieren. Weil wir immer
von Material umgeben sind und das als gänzlich selbstverständlich
erleben und nicht mehr bewusst. Ein bisschen Staunen über
Materialität - das soll es bewirken. Andererseits besteht das ganze Leben, die
Natur daraus, physisch nicht vereinnahmt zu werden. Das Lebensprinzip
ist ein Rausarbeiten aus dem Materiellen. Es verwendet Material, und
die erstaunlichsten Formen kommen zustande.
Falterinterview mit Hartmut Skerbisch, geführt von Thomas Wolkinger,
Falter 32/08
Resonating Sculpture aus der Serie Playing the
Building
Reni Hofmüller, Jogi Hofmüller, Christian Lammer, Patrick
Strasser, et al.
musikprotokoll
2012
4. Oktober 2012, 18.30 Uhr - 19.30 Uhr Lokalzeit Graz (oder UTC:
16.30 - 17.30 Uhr)
am Lichtschwert, Opernring, Graz
7. Oktober 2012, 23.03 (UTC: 9.03pm) Ö1 Kunstradio
Click here for uploading audio files for Resonating Sculpture
successfull QSOs, active on 4.10.2012, http://hofos.at/rs/
description in english
Playing the Building basiert auf der Idee, dass jedes Ojekt seine
eigenen Schwingungen produziert und diese nur hörbar gemacht
werden müssen, meist metallische Strukturen auf Gebäuden
oder das Gebäude selbst (wie zB am Kleinwasserkraftwerk
Unterzeiring).
In Resonating Sculpture geht die Erforschung der Materialität
weiterhin der Frage nach, wofür vorhandene Objekte neben ihrer
ursprünglichen Intention verwendet werden können. Nicht die
Gestalt, sondern die Funktion wird temporär verändert,
erweitert. Sie wird zur Austrahlungs- und Empfangsantenne für
elektromagnetische Wellen. Die Gestalt bestimmt, wie sich die Wellen
ausbreiten können.
Eine Komposition wird mit Funktechnik und dem Lichtschwert als Antenne
auf eine, äusseren Einflüssen unterliegende Reise geschickt
und an verschiedensten Orten dieser Welt wieder empfangen,
aufgenommen, dort vielleicht auch aktiv verändert und dann an die
Quelle, das Lichtschwert, zurückgesendet. Die erste Komposition
besteht aus dem ausgestrhalten Stück, die Kunstradiosendung
entsteht durch die gesammelten Antworten und die Wiederausstrahlung
dieses neu entstandenen Materials, dessen Erzeugung
nicht wiederholt werden kann, weil die Einflüsse von Wetter und
Ionosphäre auf den Empfang nicht reproduzierbar sind.
Das Material der Skulptur
Jedes Material hat seine spezifische
Schwingungsqualität, und diese bestimmmt den Charakter des
ausgestrahlten Klanges.
Das Wetter
Das Wetter - sowohl an der Sendestelle als auch an den Empfangsorten -
beeinflusst die Komposition; Regen, Wolken, Wind spielen mit.
Die Zeit; genauer: die Tageszeit
Die Ionosphäre ist der Reflexionsraum, in dem sich die Wellen
bewegen. Die Sonneneinstrahlung bestimmt die Beschaffenheit der
Ionosphäre, also die Anzahl der Ionen und damit die
Ausbreitungsbedingungen und die sogenannte kritische Frequenz, f0.
Dieser Zustand der Atmosphäre bestimmt also, wo die Raumwellen an
der Ionosphäre reflektiert werden und dadurch, wo auf der Erde
das Signal dann empfangen werden kann.
Die Ionossphäre ist also einem Tageslauf unterworfen; für
den Zeitpunkt des Konzertes ist einerseits der sogenannte
Greyline-Effekt möglich und andererseits schliessen sich bereits
die oberen Bänder und die tieferen Bänder sind noch nicht
offen- daher sind die besten Ausbreitungsbedingungen im
Frequenzbereich 40m (etwa 7 MHz) zu erwarten.
Für den Nahbereich Graz bietet sich ein UKW-Band an; in diesem
ist es auch möglich, verschiedene Relaisstandorte anzusprechen
und die Reichweite im Nahbereich zu vergrössern. Die Wahl einer
Simplex-Frequenz soll gezielt HörerInnen im Grossraum Graz
ansprechen.
Die Sat-Anlage ist mit Antennen für das 2m- und das 70cm-Band
bestückt. In diesen Bändern tummeln sich eine Vielzahl von
Amateurfunk- und Wissenschaftssatelliten, sodass interessante
Empfangsergebnisse erwartet werden können.
Echolink erlaubt die Verbindung einer Amateurfunkstation mit dem
Internet, um dadurch weit über die Reichweite der Funkwellen
hinaus Kontakt zu anderen Funkamateuer*innen zu bekommen. Die
Komposition der Resonating Sculpture wird unter anderem auch via
Echolink über verschiedene Relaisstationen auf der ganzen Welt
verbreitet.
Am 4.Oktober gibt es hier dann auch den Link auf ein Onlineformular
zum Upload der Aufnahmen.
Die Wellen
Die Komposition arbeitet mit elektromagnetischen Wellen, die ohnehin
hier, präsent, anwesend sind. Antennen und Empfangsgeräte
ermöglichen es, diese Wellen, Interferenzen, Schwingungen
hörbar zu machen. Diese Geräte sind der Babelfish, oder der
intergalaktische Translator in ein anderes Frequenzspektrum.
Im Funkverkehr sind diese Wellen das, was man _nicht_ will, sie sind
Störungen, überlagerungen, Rauschen. Es sind keine Fehler,
aber dennoch ist es nicht das, was man anstrebt. Erst die
Entscheidung, genau diese auch ohne mein Zutun vorhandenen
Interferenzen zu verwenden, und sie über das Trägersignal
wieder hinauszuschicken, macht sie zum Kern der Aussstrahlung. "Nur"
die Stärke, also die Intensität des Klanges unterscheidet
ihn von den ihn umgebenden überlagerungen.
Es ist so was wie das Nebenprodukt, oder der Schatten, der zum Zentrum
wird.
Es geht in diesem Fall also nicht um den Fehler als Erkenntnistrigger,
auch wenn Fehler sehr viel interessanter und aufschlussreicher sind als
allgemein angenommen/akzeptiert.
"It is failure that guides evolution; perfection offers no incentive
for improvement." "Es ist der Fehler, der Evolution leitet; Perfektion
bietet keinen Anreiz für Verbesserung." Colson Whitehead
(1999)
Diesmal geht es um das Umfeld. Es geht auch um die Aufhebung des
Unterschieds zwischen Erfolg und Scheitern. Das Gesamte ist
interessant. Es ist nicht die Erde einerseits und das Weltall "da
draussen". Wie Carl Sagan sagte: "We are made of star stuff." Es geht
um das Zusammenspiel.
Die Empfangsantenne unterscheidet nicht zwischen künstlichen,
also vom Menschen produzierten elektromagnetischen Wellen, und in der
Natur vorhandenen. Sie nimmt auf und gibt weiter, hat ihren eigenen
kleinen Anteil an der Klangveränderung durch ihre Beschaffenheit
und ihre Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Die Entstehungsgeschichte
spielt also keine Rolle, beide haben Auswirkungen auf die Gegenwart.
Das ist das Material, mit dem das Stück Resonating Sculpture
arbeitet.
Musikalische Struktur
Das eingesetzte Werkzeug (Software quisk) erlaubt per Klick die
Auswahl, also die Bewegung, zwischen verschiedenen Filtern, die
jeweils eine eigene technische und damit auch klangliche Qualität
haben. Die innere Struktur der Software basiert – im Gegensatz zur
Wirklichkeit – auf Schritten, weil die das fliessende Frequenzspektrum
in einzelne Bereiche fragmentiert. Oder verschiedene Positionen,
gewissermassen Blickwinkel auf die vorhandenen Wellen ermöglicht.
Das Stück baut also auf der Veränderung der Positionen auf.
Die Charakter der Komposition in Schritten ergibt sich also aus dem
eingesetzen Werkzeug.
In der Performance am 4. Oktober am Lichtschwert selbst ist es die
Auswahl, die ich treffe.
Zur gleichen Zeit nehmen Funkamateur*innen die vom Lichtschwert
ausgestrahlten Signale auf, und schicken sie zurück. Diese Echos
bilden das akustische Ausgangsmaterial für die Kunstradiosendung
am 7. Oktober.
Reni Hofmüller, Graz, Sommer 2012
Es ist nicht irritierend, zu sein, wo man ist. Es ist nur irritierend,
zu denken, man wäre gern irgendwo anders. John Cage, Silence. (S.
22/S.24, Suhrkamp, übersetzt von Ernst Jandl)
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